laudatio


gehalten von Stefanie Weber (Dipl.Designerin / Leiterin der Schwalbacher Malschule) anlässlich der Einzelausstellung "eisen(z)ART" von Corinna Bast
12/2004 Torhaus Scharfeneck, Berus, Gemeinde Überherrn


Haben Sie sich je gefragt, was Schneider und Schlosser gemeinsam haben?
Ich meine außer dem SCH am Anfang und dem ER am Schluss.
Nicht so leicht spontan einen Zusammenhang herzustellen.
Zwei völlig verschiedene, ja gegensätzlich anmutende Materialien, meinen Sie.
Weicher anschmiegsamer Stoff, hartes, unnachgiebiges Metall.
Vergisst man aber das Material einmal, tun Schneider wie Schlosser im Grunde genommen doch das Gleiche.
Sie verbinden!
Verbinden Stoffteil mit Stoffteil, verbinden Metall mit Metall.
Auch Corinna Bast übt sich in der Kunst des Verbindens. Tut es in vielerlei Hinsicht, auf vielfältige Art und Weise.
Modedesignerin ist sie von Haus aus. Hat nach mehreren Jahren als Erzieherin 1988 beschlossen ihre Leidenschaft - das Nähen und Entwerfen von Kleidung zum neuen Beruf zu machen. Hat an der Fachhochschule Trier ein Designstudium begonnen und hier 1993 ihren Abschluss gemacht.
Längerfristig aber konnte die gelackte, kalte Oberfläche der Welt des schönen Scheins - der Mode- sie doch nicht befriedigen. Was ihr hier fehlte war entschieden der Tiefgang.
Und so suchte Corinna Bast weiter. Verband auch weiterhin Stoffteile, um daraus formschöne und interessante Kleidung zu erschaffen. Verband aber auch das, was sie an künstlerischer Ausbildung und Inspiration während ihres Studiums erhalten hatte, mit ihrem ursprünglichen Beruf der Erzieherin. Sie begann Seminare, Vorträge und künstlerische Projekte für Erwachsene, hauptsächlich aber für Kinder anzubieten. Das tut sie auch heute noch. Unterrichtet Schulkinder unterschiedlicher Altersstufen an der Malschule Schwalbach und arbeitet als Muse-Künstlerin an verschiedenen Grundschulen. Als Kinderbeauftragte kann man sie bei der Stadt Saarlouis antreffen.
Das wäre ja jetzt eigentlich genug, meinen sie?

Aber da ist ja noch die Sache mit dem Schlosser....
Vielmehr der künstlerischen und natürlich weiblichen Entsprechung desselben, aber eben doch verbunden mit der gleichen körperlichen Anstrengung. Da sind schwere Gewichte, ohrenbetäubender Krach, meist schmutzige Hände. Trennen, Verschweißen, Hämmern, Klopfen, mühevolles, schweißtreibendes Bearbeiten stahlharter Oberflächen.
Zu grob, denkt man, für eine Frau. Zu laut und zu schwer. Nicht von ungefähr sind Schlosserinnen ja auch eher eine Seltenheit -exotisch geradezu.
Sei es drum...
Irisierende Seide, schimmernder Samt oder knitteriges Leinen...
Corinna Bast reicht es irgendwann nicht mehr fließende Stoffe miteinander zu verbinden. Die Tücher zu anschmiegsam, zu nachgiebig, der Zwirn zu willig in ihren Händen. Das Gestalten zu mühelos. Gegendruck sucht sie, Berührung mit ihren Grenzen, die Herausforderung ihrer Fähigkeiten - künstlerisch wie auch im profan Handwerklichen.

Eisen ist hart!
Eisenart - oder eisenzart?
Corinna Bast verbindet.
Nicht mehr widerstandlose Stoffteile, sondern alten Eisenschrott jetzt. Der Schrottplatz wird ihr neues Inspirationsfeld, ihr kreativer Schatzkasten, unermesslicher Fundus für ihren Gestaltungswillen. Der erkennt in dem, was scheinbar niemand mehr braucht, Formen und Figuren, Gesichter und Charaktere. Nimmt den Dingen ihre ursprüngliche Bestimmung, ordnet neu zueinander und schöpft phantasievoll aus den sich bietenden Möglichkeiten.
Sie findet Schnurrbärte, Nasen und Ohren oder werden es vielleicht doch lieber einmal Flügel werden, Hüte und Kronen, Schleifen für Schuhe in Form von Flügelschrauben, vieles mehr und mehr.
Und dann nimmt sie ihre Phantasie bei der Hand und sie bauen gemeinsam. Sie zer- und beschneiden Metall, schweißen erneut zusammen, was neu zueinander gehört und polieren, wo es glänzen darf oder lassen es regnen, damit die Patina -der Rost- das Werk vollenden kann.
Was entsteht sind skurrile Gestalten mitunter. Zwerge zum Beispiel, sieben an der Zahl, wie im Märchenland, Winzlinge mit wilden Frisuren oder spitz behütet, eindeutig aber männlichen Geschlechts - neue Männer braucht das Land...
Kleine Freunde, Mariechen lädt uns zum Tanzen, witzig, verspielt mit Haaren - zu Berge stehend. Freundliche Begleiter, die unsere Tage erhellen, uns froh stimmen und zum Schmunzeln bringen,
Aber auch ernste, mystisch und archaisch anmutende Figuren -Wächter und Behüter von Träumen und den Ländereien der Seele.
Urbilder, die uns dort greifen, wo Sprache nicht mehr funktioniert, wo Worte keinen Zugang haben. Im Unterbewusstsein treffen sie uns, vermitteln Wissen ohne zu wissen. Wer weiß schon was?
Einige dieser Figuren -die "Königsfamilie" samt Hofpersonal- waren auch vergangenes Jahr hier schon zu Gast.
Aber ist königlicher Besuch nicht immer willkommen? Noch dazu ein preisgekrönter!
Den zweiten Preis in der Sparte Skulptur, hat Corinna Bast in diesem Jahr bei dem jährlich stattfindenden Wettbewerb "Künstler der Region" in Losheim für ihre höfische Familie erhalten.
Schön diese Familie, mit Wachposten, Koch, Gespielin und natürlich dem König und der Königin. Schön, sie heute hier begrüßen zu dürfen.

Aber da ist ja noch mehr, wenngleich die Skulpturen den Mittelpunkt, das Herzstück sozusagen, im Werk von Corinna Bast darstellen.
Da gibt es Schalen, zusammengefügt aus zahlreichen kreisrunden oder ovalen Eisenblättchen. Schalen wie aufgebrochene Eier oder Kugeln. Formenspiel sei das, meint Corinna Bast, aber wer sie kennt vermutet noch tieferen Sinn.
Wie in der Dreiergruppe "Planquadrat des Lebens".
Drei mal drei, sorgfältig polierte und bearbeitete quadratische Metallplättchen hat sie -drei Mal insgesamt- zu einem Größeren zusammengefügt. Befestigt auf einer strukturiert und farbig gestalteten Holztafel. Eine Metapher. Das Holz als Umfeld, die Metalltafeln das Einzelleben. Und wie das Leben so spielt - eins der Quadrate- unvollständig - es läuft nicht immer glatt.

Ihre Wandbilder, keine Bilder im üblichen Sinn. Nicht zweidimensional, wie es sich für ordentliche Bilder gehört, sprengen sie den Raum, wachsen in die Tiefen, erweitern die Grenzen, so wie ihre Schöpferin beständig mit ihren eigenen Grenzen experimentiert.
Schon die Farbe, mehr modelliert denn gemalt. Tiefe Strukturen graben sich in die Bildfläche. Wie flüssiges Magma wirkt das zuweilen. Und das kombiniert, das verbindet sie mit anderen Elementen. Mit kleinen flachen, aus der im Vergleich eher matt wirkenden Farbstruktur herausglitzernden Metallteilchen oder feingliedrig geformten Kupferdrähten. Und dann -eisenzart, im wahrsten Sinnes des Wortes ein filigran gehäkeltes Drahtgeflecht.
Wie schon das "Planquadrat des Lebens" sind diese Arbeiten oftmals Metapher. Metapher für den Lebensfluss, sind Verarbeitung von Ge- und Erlebtem, von Krisen und unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Wie sie, als Bild den zweidimensionalen Raum sprengen, sind sie mehrschichtig und vielsinnig in Bedeutung und Aussage. Sie spiegeln gelebtes Leben, sind gemalte Meditation, philosophische Betrachtung, Suche nach Mitte.
Natürlich sind sich auch Farb- und Formenspiel, wer wollte das leugnen. Natürlich wollen sie auch gefallen, wollen neben allem Sinnhaften auch ästhetisch daherkommen - was ihnen gelingt. Mühelos!
Und auch in ihren Bildern - ihren Wandobjekten - begegnen wir dem Mystischen, dem Geheimnisvollen und Rätselhaften. Auseinandersetzung mit den fünf Elementen des Tao, Holz, Feuer, Erde, Metall natürlich und Wasser, mit Sonne, mit Mond. Atlantis taucht auf, neben anderen vergangenen oder noch im Entstehen begriffenen Welten. Unerklärlich. Sagenumwoben.
Corinna Bast ist Verbinderin. Verbindet mit lockerem Band sprühender Kreativität, Menschen mit Menschen, mit Kunst zum Schauen oder Kunst zum selber Tun. Tut es in ihren Malkursen für Kinder, tut es in einer Ausstellung wie dieser. Sie näht und verschweißt, Stoffe und Metall, kombiniert Metall mit Ton oder bearbeiteten Steinen, allem eben, was Händen und Augen unter kommt.
"Wer ein Herz hat, werfe das Auge weg, dann wird er schauen." Diesen Spruch eines frühislamischen Mystikers hat Johannes Itten seinen Studenten am Bauhaus mit auf den Weg gegeben.
Nicht, dass ich Sie ermuntern möchte mit Ihren Augen desgleichen zu tun, aber das Herz, vergessen Sie das Herz nicht.
Und in diesem Sinne - sehen Sie um sich! Und viel Spaß dabei.
Viel Erfolg für deine Ausstellung, liebe Corinna.

Stefanie Weber
(Dipl. Designerin, Leiterin der Schwalbacher Malschule)